Seit Juli 2020 ist der Dienst „E-Rechnung in Bayern“ live im Internet. Die hochsichere Webseite validiert und visualisiert elektronische Rechnungen für bayerische Verwaltungsmitarbeitende. Nun erhielt der Service nach einer eingehenden Prüfung nach der Barrierefreie-Informationstechnik-Verordnung (BITV) das Zertifikat „BITV-konform“. mgm technology partners hat ihn als technischer Dienstleister im Auftrag des Bayerischen Staatsministeriums für Digitales realisiert.

Kurz & knapp

  • Mit 60 Prüfschritten werden Internetseiten getestet, die das BITV-Zertifikat bekommen möchten.
  • Assistive Technologien helfen Menschen mit Einschränkungen, das Internet zu nutzen.
  • Der Public Sector nimmt eine Vorreiterrolle für ein barrierefreies Internet ein.

Hintergrund für die Testung des Bayerischen E-Rechnung-Angebots: Das Onlinezugangsgesetz (OZG) verpflichtet öffentliche Verwaltungen nicht nur, bis Ende 2022 wichtige Behördenleistungen für Bürgerinnen, Bürger und Unternehmen digital anzubieten – sie müssen auch den „barriere- und medienbruchfreien Zugang“ (OZG §3 Abs. 1) gewährleisten. Dazu gehört zwar nicht zwingend ein Test und ein Zertifikat, das Bayerische Digitalministerium wollte aber eine unabhängige Prüfung.

In 60 Schritten zur geprüften Barrierefreiheit

Gradmesser für das Zertifikat sind die Web Content Accessibility Guidelines (WCAG), der internationale Standard für die barrierefreie Gestaltung von Internetangeboten. Die EU hat den Standard 2018 übernommen. In Deutschland gilt eine Website als barrierefrei, wenn sie alle Anforderungen gemäß der hierzulande geltenden BITV 2.0 erfüllt (Barrierefreie-Informationstechnik-Verordnung). Dafür muss sie 60 Prüfschritte durchlaufen. „E-Rechnung in Bayern“ stellte sich im Oktober der Herausforderung – und bestand. Weil der Dienst auf der A12-Plattformtechnologie von mgm beruht, sind viele Aspekte der Barrierefreiheit bereits „ab Werk“ eingebaut. Mit dem Zertifikat ist der Dienst als WCAG-konform eingestuft.

Als Nachweis für das Zertifikat ist in dem Angebot nun das Prüfzeichen eingebunden (Unterseite: Barrierefreiheit) und der Prüfbericht entsprechend der Auditierungsregeln verlinkt. Das Ergebnis mit allen Prüfdetails ist somit transparent für alle Nutzerinnen und Nutzer einsehbar. Der Webauftritt ist außerdem in die Liste empfehlenswerter Sites und Agenturen aufgenommen worden. Die Liste ist ein für die erfolgreiche Inklusion im Internet wichtiges Angebot. In den vergangenen fünf Jahren sind rund 100 Websites durch den BITV-Test Prüfverbund offiziell zertifiziert worden. Darunter auch einige mgm-Projekte.

Public Sector als Vorreiter für Barrierefreiheit

Das Bayerische Digitalministerium unterstreicht mit dem Testauftrag die Vorbildfunktion des Staates in Sachen Barrierefreiheit. Denn die öffentlichen Verwaltungen erbringen zu einem großen Teil Serviceleistungen für die Bürgerinnen und Bürger. Zu ihrer Rolle in demokratischen Gesellschaften gehört es, diese Dienste für alle zu erbringen und die Teilhabe zu gewährleisten. Das gilt vor Ort bei barrierefreien Gebäuden, aber auch elektronisch im Internet für Antragstellerinnen/Antragsteller und Angestellte in den Verwaltungen. Doch oft wird dieser digitale Zugang erschwert.

Solche Barrieren will die EU mit ihrer Richtlinie EU-2016/2102 beseitigen. Sie gilt seit September 2019 verpflichtend für alle Mitgliedsstaaten, in Deutschland dient diesem Zweck die BITV. Die Verordnung hat laut § 1 das allgemeine Ziel, eine “grundsätzlich uneingeschränkt barrierefreie Gestaltung” von Internetangeboten “zu ermöglichen und zu gewährleisten.” Explizit erwähnt sind “Informationen und Dienstleistungen öffentlicher Stellen” und “Verwaltungsabläufe mit und innerhalb der Verwaltung”, die für Menschen mit Behinderungen zugänglich und nutzbar zu gestalten sind. Somit kommt den barrierefreien Zugängen zu den digitalen Diensten der Verwaltungen, Sozialversicherungsträgern und kommunalen Aufgabenträgern eine besondere Rolle zu. Der öffentliche Sektor wird damit zum Vorreiter in Sachen Barrierefreiheit.

BITV setzt statt Pflicht auf Freiwilligkeit

Die Umstellung bisher analoger Dienste oder nicht-barrierefreier Angebote ist allerdings ein sehr umfangreicher Prozess. Nach dem OZG sollen Verwaltungen zwar verpflichtend bis spätestens 2022 ihre Dienstleistungen elektronisch und barrierefrei über ihre Portale anbieten. Eine Kontrolle dafür ist aber bisher nur auf der Ebene des Bundes geplant: Die Überwachungsstelle des Bundes für Barrierefreiheit von Informationstechnik (BFIT) befindet sich aktuell gerade im Entstehen. Sie soll öffentliche Stellen beraten und überwachen. Die BITV sieht bisher keine gesetzliche Verpflichtung zur Zertifizierung der digitalen Angebote vor. Freiwillig kann jedoch jede Verwaltung die Barrierefreiheit ihrer Leistungen überprüfen lassen.