Welches Potenzial birgt der Einsatz der Blockchain-Technologie in der Steuerverwaltung? Diese Frage hat das Bayerische Landesamt für Steuern in einem Forschungsprojekt gemeinsam mit der Projektgruppe Wirtschaftsinformatik des Fraunhofer FIT sowie der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg und mgm technology partners ausgelotet. Das Projekt ist Teil der Blockchain-Strategie der Bayerischen Staatsregierung und wurde vom Bayerischen Staatsministerium für Digitales unterstützt. Ende April wurden die Ergebnisse im Rahmen einer Veranstaltung der Öffentlichkeit vorgestellt.

Kurz & knapp

Die Ergebnisse stecken in dem 50-seitigen Whitepaper „SSI@LfSt – Einsatz der Blockchain-Technologie in der Steuerverwaltung“. Sie wurden im Rahmen der Veranstaltung “Digitales Ich: Selbstbestimmte Identitäten im Netz” des Blockchain Bayern e. V. der Öffentlichkeit vorgestellt. Im Fokus der Forschung steht ein Blockchain-basierter Ansatz zur besseren steuerlichen Registrierung und Überprüfung von Händlern auf Online-Marktplätzen. Die Ergebnisse sind vielversprechend – vor allem durch den Einsatz eines Self-Sovereign Identity-Systems (SSI).

SSI-Forschungsprojekt gegen Papierbescheinigungen

Der Kampf gegen Steuerbetrug auf Online-Marktplätze ist in vollem Gange. In Deutschland hat der Gesetzgeber reagiert und im Jahr 2019 Aufzeichnungspflichten für Marktplatzbetreiber eingeführt. Das bisherige Verfahren basiert jedoch auf Papierbescheinigungen und ist dadurch mit hohen Aufwänden verbunden, durch Medienbrüche gekennzeichnet und weiterhin fälschungsanfällig.

Wie eine verlässlichere und effizientere digitale Alternative auf Blockchain-Basis aussehen könnte, hat das Bayerische Landesamt für Steuern (BayLfSt) gemeinsam mit der Projektgruppe Wirtschaftsinformatik des Fraunhofer FIT, der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg und mgm untersucht. Das Forschungsprojekt umfasste die Konzeption, die prototypische Umsetzung und die Evaluation eines Blockchain-basierten Systems zur Bekämpfung von Steuerausfällen auf Online-Marktplätzen. Die gesammelten Erfahrungen sollten zudem fundierte Aussagen über Einsatzmöglichkeiten der Blockchain-Technologie in anderen Bereichen von Besteuerungs- und Verwaltungsverfahren ermöglichen.

SSI-basiertes Lösungskonzept verspricht größtes Potenzial

Zu Beginn des Projekts haben die Projektpartner zunächst die bestehenden papierbasierten Prozesse analysiert und die rechtlichen, technischen und organisatorischen Anforderungen erhoben. Anschließend haben sie drei Lösungsansätze ausgelotet: einen Blockchain-basierten Steuer-Token, ein Blockchain-basiertes Gültigkeitsregister und eine SSI-basierte Lösung. Letztere zeigte sich als vielversprechendster Ansatz und wurde in Form eines Prototyps näher untersucht und evaluiert. Die Kernidee von Self-Sovereign Identity besteht darin, dass die Nutzer die Kontrolle über ihre digitalen Identitäten behalten und sie eigenständig verwalten. Beim Einsatz der Technologie im betrachteten Anwendungsfall übernehmen die Steuernachweise der Händler die Rolle der Identitäten.

Der generelle Ablauf mit dem SSI-System ähnelt dem bisherigen Prozess:

  • Die Finanzbehörde stellt den Händlern Nachweise über die steuerliche Erfassung aus.
  • Die Händler bestätigen den Marktplätzen damit ihre steuerliche Erfassung.

Mit dem SSI-System lässt sich der Ablauf nun aber digital abbilden, zudem wird dieser überprüfbar und fälschungssicher. Der ausgestellte Nachweis ist ein sogenanntes „Verifiable Credential“, das die Händler in einer Art digitalen Geldbörse speichern können. Der Marktplatz kann mithilfe kryptografischer Verfahren prüfen, ob das Credential eines Händlers gültig ist und einen Beweis wiederum an die Finanzbehörde übermitteln. Der Status der Gültigkeit einer Registrierung ist dabei auf einer öffentlichen Blockchain hinterlegt.

Prototyp demonstriert technische Machbarkeit

Die Evaluation des entwickelten Konzepts betrachtet wirtschaftliche, technische und rechtliche Aspekte. Eine identifizierte rechtliche Hürde liegt zum Beispiel in gesetzlichen Rahmenbedingungen, die auf andere Technologien ausgelegt sind. Die Studie empfiehlt deshalb, dass der Gesetzgeber künftig auch neue Technologie-Konzepte berücksichtigt, um eine rechtskonforme Gestaltung von Blockchain-basierten Lösungen zu erleichtern. In puncto Datenschutz entstehen durch zentrale Charakteristiken der Blockchain-Technologie – vergangene Einträge sind permanent aufgezeichnet und öffentlich einsehbar – gewisse Risiken. Die Autoren des erstellten Rechtsgutachtens zeigen sich aber optimistisch, was die Möglichkeit einer datenschutzkonformen Umsetzung einer SSI-Lösung anbelangt.

Aus technischer Sicht lässt sich der Lösungsansatz umsetzen – auch mit bestehender Infrastruktur und vorgefertigten Komponenten. Der entwickelte Prototyp demonstriert sämtliche Prozessabläufe für alle Beteiligten von der Ausstellung der Steuernachweise bis zur Überprüfung durch die Marktplätze. Es bleiben zwar eine Reihe von technischen Herausforderungen bestehen. Dazu gehören die Skalierbarkeit, die derzeit noch eingeschränkten Funktionalitäten aktueller Infrastrukturen zur Verwaltung von Nachweisen und die geringe Anzahl technischer Anbieter. Die Autoren der Studie sind aber zuversichtlich, dass diese Aspekte durch fortschreitende Entwicklungen auf dem Gebiet SSI lösbar sind.

SSI-Lösungsansatz multifunktional einsetzbar

Da das Lösungskonzept als generisches SSI-System ausgestaltet ist, kann es auf weitere Verfahren mit Bezug zu Steuerdaten übertragen werden. Es ist prädestiniert für Fälle, in denen ein Steuerpflichtiger einen Nachweis der Finanzbehörde benötigt und ihn einer Drittpartei vorlegen muss. Das ist zum Beispiel beim BAFöG so. Antragsteller müssen Vermögensnachweise der Eltern oder des Ehegatten vorlegen. Aktuell geschieht dies in der Regel durch die Vorlage des Einkommensteuerbescheids. Dort sind allerdings viel mehr Informationen enthalten, als für den Nachweis benötigt werden. Auf Basis einer SSI-Lösung könnten Antragsteller den Nachweis künftig sogar selektiver und datensparsamer erbringen als heute.

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