Die Digitalisierung in der Energiewirtschaft verändert auch das bisher oft sehr traditionelle Verständnis von Mitarbeiterführung. Bei Unternehmen in der Energiebranche wie zum Beispiel Energieversorgern, Stadtwerken oder Netzbetreibern gilt oft noch: Das haben wir doch immer so gemacht. Geführt wurde bisher viel über Hierarchie, Macht, Beziehungen und Wissensvorsprung. In einem digitalen Umfeld ist Führung jedoch viel mehr Coaching, Enabling, Richtung geben. Was bedeutet die Digitale Transformation für Führungskräfte und MitarbeiterInnen?

In einer qualitativen Umfrage unter Führungskräften im IT-Umfeld mittelständischer und großer Energieversorger, Netzbetreiber und Stadtwerke wurde untersucht, worin die Befragten die konkreten Herausforderungen der Digitale Transformation für Unternehmen der Energiewirtschaft sehen. Pascale Ullmann sprach im Sommer 2020 mit Sandra Preß (Head of IT Solutions HR, E.ON Digital Technology) über die geänderte Rolle von Führungskräften und digitale Mitarbeiterführung über den gesamten Employee Lifecycle hinweg.

 

 

Pascale Ullmann: Was ist ihr Aufgabengebiet bei bei E.ON HR IT?

Sandra Preß: In meiner Verantwortung liegen alle Applikationen, die mit HR zu tun haben. Dies betrifft zum Beispiel Weiterbildungen, Reisebuchungen und Abrechnungen, Gehaltauszahlungen oder die Beantragung von Urlaubstagen. Wir sind bei all diesen Themenstellungen, von der einzelnen Idee über die Strategie und Architektur zur Implementierung bis hin zur Wartung verantwortlich.

 

Pascale Ullmann: Mit welchen Digitalisierungsthemen befassen Sie sich bei HR IT?

Sandra Preß: Unser Fokus liegt darauf eine ‘digital Company’ für den Mitarbeiter und die Führungskräfte zu erschaffen. Der Anspruch unseres Bereichs ist HR als solches für die Mitarbeiter und für die Führungskräfte digitaler zu machen. Wir sind mit kleineren Projekten z. B. der Implementierung von Robots für einzelne Themen gestartet. Wir wollen allerdings auch das große Ganze betrachten: Wie kann der Prozess von der Bewerbung bis hin zum Unternehmensaustritt, also der Employee Lifecycle, digital verwaltet werden?

 

Pascale Ullmann:  Was sind die größten Herausforderungen der Digitalen Transformation?

Sandra Preß: Die größte Herausforderung besteht darin, ein ‘dezentral organisiertes HR Business’ anzusprechen. Wir betreuen nicht nur einen, sondern sehr viele unterschiedliche HR Bereiche in unterschiedlichen Ländern und teilweise unterschiedlichen Business-Einheiten. Wie Sie sich sicherlich vorstellen können hat jeder unterschiedliche Vorstellungen von Digitalisierung. Daher sind die verschiedenen Einheiten auch unterschiedlich weit in der Transformation fortgeschritten.

Digitalisierung geht für mich auch immer mit Kulturwandel einher, da sie die täglichen Arbeitsabläufe und die Art und Weise wie wir arbeiten massiv verändert.

Digitalisierung geht für mich auch immer mit Kulturwandel einher, da sie die täglichen Arbeitsabläufe und die Art und Weise wie wir arbeiten massiv verändert. Auch bei dieser Transformation sind die einzelnen HR Business Bereiche als auch wir in der IT unterschiedlich weit fortgeschritten. Veränderungen in der Arbeitskultur können jedoch nicht „angeordnet“ werden, sondern entstehen nach und nach, z.B. durch das Leben einer neuen Feedback-Kultur. Diese Kulturthemen gilt es ebenso auf die Dauer zu „vereinheitlichen“ wie die Technik.

Zudem bedeutet Voranschreiten in der Digitalisierung auch oft große monetäre Investments tätigen zu müssen. In Zeiten der Budget- und Ressourcenknappheit ist es daher eine Herausforderung die richtige Balance der Budgetverteilung zwischen Erneuerung und Erhaltung des Status Quo zu finden.

 

 

Pascale Ullmann: Worin liegt Ihre Motivation digitale Themen anzunehmen?

Sandra Preß: In der IT ist die Motivation sehr groß. Wir sind ein interner Dienstleister, der seine zu betreuenden Business Bereiche bestmöglich darin unterstützen möchte am Markt führend zu sein (z. B. durch einen modernen schlanken Recruiting Prozess). Die Erwartung an uns ist, dass wir kostengünstig und effizient arbeiten. Das können wir durch Digitalisierung noch besser erreichen.

 

 

Pascale Ullmann: Wie definieren Sie Digitalisierung?

Sandra Preß: Digitalisierung bedeutet für mich, dass wir so viele analoge Prozesse wie möglich in digitale Prozesse verwandeln und keine Sollbruchstellen zwischen und innerhalb unterschiedlicher IT Systemen mehr haben, z. B. durch den Ausdruck eines Formblattes aus einem IT System heraus, dessen Unterzeichnung und anschließendem Scan, um diesen wieder im IT System abzuspeichern.

Digitalisierung bedeutet für mich, dass wir so viele analoge Prozesse wie möglich in digitale Prozesse verwandeln und keine Sollbruchstellen in unterschiedlichen IT Systemen haben.

Digitalisierung bedeutet im zweiten Schritt für mich, dass wir unsere Daten optimal verarbeiten und verwalten, in HR z. B. alle Stammdaten eines Mitarbeiters/einer Führungskraft in einem einzigen IT System verwaltet werden, was wiederum anderen IT Systemen als Datenquelle dient.

 

 

Pascale Ullmann: Warum ist die Digitale Transformation so eng mit der Mitarbeiterführung verknüpft?

Sandra Preß: Weil sich das Führungsverständnis mit der Digitalen Transformation komplett verändert. Gerade in der Energiewirtschaft ist es so, dass sehr lange ein sehr traditionelles Verständnis von Führung geherrscht hat. Geführt wird oft über Hierarchie, Macht, Beziehungen und Wissensvorsprung. In einem digitalen Umfeld ist Führung jedoch vielmehr Coaching, Enabling, Richtung geben. Das bedeutet für mich den Mitarbeitern Raum zu geben sich zu entfalten, Verantwortung zu übernehmen, gleichzeitig aber Richtung zu geben und als Sparrings Partner zur Verfügung zu stehen.

Geführt wird oft über Hierarchie, Macht, Beziehungen und Wissensvorsprung. In einem digitalen Umfeld ist Führung jedoch vielmehr Coaching, Enabling, Richtung geben.

Führung im digitalen Zeitalter ist auch Loslassen können, Delegation von Verantwortung und Vertrauen in die Mitarbeiter, z. B. Durchführen eines agilen Projektes mit einem Scrum Team ohne regelmäßige Projekt SteerCos als Haltepunkte. In der IT „trainieren“ wir dies nun seit einigen Jahren mit guten Erfolgen.

 

 

Pascale Ullmann: Wie reagieren Sie auf Widerstände gegenüber Veränderungen?

Sandra Preß: Wenn es Widerstände gibt, versuche ich zuerst diese bzw. die Beweggründe zu verstehen. Meist hilft es diesen mit logischen Argumenten entgegen zu treten und so Zweifel auszuräumen. Ebenso kann es hilfreich sein, Veränderungen in kleineren Schritten durchzuführen, um so die Angst vor dem großen neuen Unbekannten zu nehmen. Zu guter Letzt sind bei Einführung neuer IT Systeme und damit einhergehenden Widerständen auch Live Demos oder sogenannte Sandbox Systeme, in denen die Mitarbeiter das neue System ausprobieren können, immer sehr hilfreich.

 

Pascale Ullmann: Welche Rolle wird die Führungskraft in Zukunft spielen?

Sandra Preß: Die Führungskraft wird nach wie vor eine wichtige Rolle spielen, aber sich neu definieren (müssen).

 

 

Pascale Ullmann: Was hat sich für die Führungskraft im digitalen Zeitalter verändert?

Sandra Preß: Neben den schon erwähnten Punkten zur Art des Führens ist für mich die größte Veränderung die immer währende Erreichbarkeit, welche mehr und mehr die Grenzen zwischen Privat- und Berufsleben verschwimmen lässt. Dies ist Fluch und Segen zugleich: einerseits ermöglicht die ständige Erreichbarkeit ortsunabhängiges Arbeiten, andererseits muss man sehr diszipliniert sein, um nicht auch am Wochenende noch kurz den Maileingang zu überprüfen.

 

 

 

Weitere Experten aus der Energiebranche im Interview:

 

Interview Detlev Falkner (Geschäftsführer rde) über digitale Trends und Veränderungen für Führungskräfte
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Als Managementberatung für Digitalisierung arbeiten wir leidenschaftlich für viele namhafte Kunden in der Energiewirtschaft.

Wir sind Experten für Innovationsmanagement, Business Agilität und Prozessmanagement. Gemeinsam befähigen wir IT, Business und Organisation, die Chancen der digitalen Transformation umzusetzen.

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Ihr mgm-Ansprechpartner für die Energiewirtschaft:
Christian von Hammerstein, info@mgm-cp.com.

 

 

Pascale Ullmann

Das Interview führte Pascale Ullmann im Rahmen ihrer Masterarbeit “Leadership in the Digital Age – Challenges and opportunities for Companies in the Energy Sector” im Studiengang Wirtschaftswissenschaft der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Leibniz Universität Hannover, die sie bei mgm consulting partners geschrieben hat.