Mitte August 2020 hat das Hamburger Schiffsregister den digitalen Regelbetrieb aufgenommen. Seitdem werden Änderungen und Neueintragungen beim Amtsgericht ausschließlich im webbasierten „SchiR“-System erledigt, das mgm technology partners zusammen mit Dataport im Auftrag der Freien und Hansestadt Hamburg umgesetzt hat. Alle Beteiligten sind sich einig: Das agile Projektvorgehen war ein entscheidender Faktor für die erfolgreiche Umsetzung.

Kurz & knapp

  • Projekt „Digitales Schiffsregister Hamburg“ zeigt einmal mehr: Agiles Vorgehen ist auch in Behörden möglich.
  • Agile Softwareentwicklung zwingt zur Einbeziehung der Fachwender*innen – Erfolgsgarant für passende Software und Akzeptanz.
  • Hamburger „Projekt-Wissenscenter“ gibt Richtlinien für Vorgehen und Personal von IT-Projekten.

„Das Projekt verfolgt das übergeordnete Ziel, die Verwaltung des Schiffsregisters zu modernisieren und auf einen zeitgemäßen bzw. zukunftstauglichen Standard zu bringen“, heißt es kurz in der Projektbeschreibung. Was sich einfach anhört, hatte in der Praxis einige Komplexität hinsichtlich der Rechtsgrundlagen, Prozesse und Anforderungen der verschiedenen Stakeholder, von den Auftraggebern (Wirtschaftsbehörde, Behörde für Justiz und Verbraucherschutz, Amtsgericht) über Antragstellern bis hin zu Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Schiffsregisters. Dennoch ist es dem über 20-köpfigen Team aus verschiedenen Abteilungen und Gewerken gelungen, Deutschland größtes Schiffsregister mit rund 6200 eingetragenen See- und Binnenschiffen fast nach Plan in rund zwei Jahren zu digitalisieren. Siehe auch entsprechenden Blog-Beitrag.

SCRUM als Erfolgsbasis für kurze Projektlaufzeit

Das war für uns als Behörde das einzig sinnvolle und erfolgsversprechende Vorgehen. – Tim Schneider

Tim Schneider, IT-Projektleiter seitens der Behörde für Justiz und Verbraucherschutz, ist froh, dass 2018 von Anfang an das agile Vorgehensmodell SCRUM gewählt wurde. „Das war für uns als Behörde das einzig sinnvolle und erfolgsversprechende Vorgehen“, sagt er. Selbst stieß er erst bei Halbzeit zu dem Projekt. Schneider weiß aber, dass vor allem André Basten, IT-Chef der Behörde, und Nils Bredow, Referatsleitung IT-Anwendungen in der Behörde, ihre positiven Erfahrungen mit agiler Vorgehensweise aus anderen Verwaltungsprojekten beim Schiffsregister eingebracht haben.

Mit einem klassisch-agilen Aufbau aus Scrum Master, Product Owner, dazu ein Business Analyst und – ganz wichtig – eine direkte Verankerung in der Fachabteilung ging es Mitte 2018 los. Natürlich auch mit den Reviews alle zwei Wochen für die Vorstellung der erreichten Umsetzungen. Mit dabei war auch Berit Pamperin-Herbst, seit über 15 Jahren Rechtspflegerin beim Schiffsregister. „Die Reviews habe ich allemal als positiv empfunden, wir alle konnten immer den Projektstand sehen, jeder aus der Fachabteilung konnte sich äußern und zu Wort melden“, berichtet sie. „Das ist 1000-mal besser als wenn die Fachanwender ein fertiges Programm vorgesetzt bekommen.“

Wichtig ist aber auch, dass im Projekt und Change-Prozess die Mitarbeit der Fachanwender in strukturierten Bahnen ablaufen kann. So war Berit Pamperin-Herbst offiziell mit einigen Stunden für das Projekt abgestellt. Vollumfänglich neben den üblichen Aufgaben ist ein agiles IT-Projekt in den Fachabteilungen nicht umsetzbar. Die 14-tägigen Review-Calls, Test und Freigaben benötigen verlässlich Zeit.

Einwände gegen agiles Projektvorgehen: Vorwände!

Beim agilen Vorgehen ist die Mitarbeit beziehungsweise das Feedback der Fachanwenderinnen und Fachanwender systemimmanent. – Christian Thomsen

„Gerade wegen der Vorgaben und Leitplanken der vielfältigen Fachverfahren ist das agile Projektmanagement im öffentlichen Sektor ein sehr gutes Vorgehen“, resümiert Christian Thomsen, Entwicklungsleiter des Projekts bei mgm. Denn ohne die Expertinnen und Experten in den Fachabteilungen könne am Ende keine Anwendung funktionieren. „Beim agilen Vorgehen ist die Mitarbeit beziehungsweise das Feedback der Fachanwenderinnen und Fachanwender systemimmanent.“ Es komme also fast nie vor, dass wie bei einem klassischen Prozess nur die Hälfte der Funktionen und Prozesse tatsächlich zur Realität passt. Thomsen ist sich sicher: „Ohne agile Vorgehensweise wäre dieses Projekt gescheitert.“ Das hat auch die große Mehrheit der Beteiligten aus allen Bereichen in Lessons-Learned-Workshops am Ende des Projekts bestätigt.

Tim Schneider bei der Behörde für Justiz und Verbraucherschutz freut sich darüber. Er sagt aber auch: „Agilität ist kein Selbstgänger, gerade in der Behördenwelt.“ Oft höre und lese man über Verwaltungen landauf, landab Argumente wie `Wir können nicht agil, weil unsere Mitarbeiter nicht agil sind`. Dabei sei die Einbindung der Fachabteilungen unabdingbar, beim Schiffsregister gab es verschiedene Beteiligungs- und Feedbackformate. „Die allermeisten haben das Projekt aktiv mitgestaltet“, freut sich Schneider. „Wir haben hier einen Weg und ein spezielles Setup aus Scrum Master, Product Owner und Projektleiter, mit denen wir ein kombiniertes IT- und Organisationsprojekt erfolgreich zusammengebracht und in der Behördenlinie anschlussfähig gemacht machen.“

Offizieller Projektmanagement-Support für Hamburger Behörden

Einen großen Anteil hatte seiner Ansicht nach auch das „Projekt-Wissenscenter“ von Hamburg, das bei der Finanzbehörde angesiedelt ist. Ein Experten*innen-Kreis hat in mehreren Jahren Arbeit umfangreiche Standards und Regularien entwickelt, wie Projekte in Hamburger Behörden umgesetzt werden sollen und welche Voraussetzungen erfüllt sein müssen. Inzwischen fungiert das Wissenscenter als Projektmanagementoffice (PMO). Auch beim digitalen Schiffsregister wurde im Vorhinein das geplante Vorgehen, die Rollen und die Qualifizierung der eingeplanten Personen überprüft.

Weitere Informationen:

Bildquell: Mediaserver Hamburg / Geheimtipp Hamburg